4. Das Schweigen der MittäterInnen
By Zwischengeschlecht.org on Friday, September 10 2010, 21:49 - Permalink
>>> Mahnwache vor der UNO, Genf 26.1.2009 (Bild: Ärger)
Politik und Justiz decken die Täter
Bei den irreversiblen kosmetischen Genitaloperationen an körperlich "uneindeutigen" Kindern und Jugendlichen handelt es sich in Anbetracht der Schwere der begangenen Menschenrechtsverletzungen, ihrer langen Dauer und der damit verbundenen hohen Anzahl der Opfer wohl um eine der gravierendsten Menschenrechtsverletzungen in den "westlichen Demokratien" seit dem 2. Weltkrieg.
Trotzdem schauen die Verantwortlichen in Politik und Justiz weg und verleugnen die systematischen Menschenrechtsverletzungen, ja decken gar noch die TäterInnen – sofern sie überhaupt mit unbequemen Fragen behelligt werden.
Auch 2008 hiess es von der Bundesregierung auf die Fragen der CEDAW-Kommission einmal mehr lediglich: "Wir haben keine relevanten Erkenntnisse dazu."
Stattdessen propagiert die Bundesregierung Zwangseingriffe an Zwittern sei Jahrzehnten regelmässig aktiv mit tatsachenwidrigen Behauptungen:
- Der Bundesregierung sei nicht bekannt, „dass eine Vielzahl von Intersexuellen im Erwachsenenalter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisiert“ (14/5627).
- Die Zwangsoperationen seien ausnahmslos "medizinisch indiziert" und dienten deshalb dem "Kindeswohl [...] (§ 1627 BGB)" (14/5627).
- "[G]rößer angelegte Nachuntersuchungen als auch die klinische Praxis" würden laut Bundesregierung gar beweisen, "dass die Mehrzahl der betroffenen Patienten rückblickend (d. h. im Erwachsenenalter)" die Zwangsoperationen eindeutig befürwortet – allerdings vermochte die Bundesregierung dafür keine Belege anzuführen (16/4786).
>>> Faule Eier für "die Bundesregierung"!
Auch die Bundestagsparteien und ihre Abgeordneten, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, der UN-Menschenrechtsrat, der Deutsche Ethikrat, usw. usf. – alle schwiegen sie bis vor kurzem zu den menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen an Zwittern, obwohl sie in den letzten 15 Jahren von betroffenen Menschen mehrmals um Unterstützung angegangen wurden, und machten sich so zu MittäterInnen.
Bis heute leugnet der Berliner Senat rundheraus jegliche "Kenntnis" von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern – während gleichzeitig im unter seiner Wache das Verstümmelungs-Angebot in der "Charité" massiv ausgebaut wird.
Langsames Umdenken bei Menschenrechtsorganisationen
Auch NGOs wie Amnesty International und Terre des Femmes taten sich lange Zeit ebenfalls schwer mit eindeutigen Stellungnahmen zu den chirurgischen Genitalverstümmelungen und sonstigen Menschenrechtsverletzungen an Zwittern, obwohl sie seit 1996 wieder und wieder von Überlebenden um Unterstützung angefragt wurden (eins / zwei).
Auch wenn der Weg sehr weit und steinig war, kam nun in den letzten Jahren zum Teil doch langsam einiges in Bewegung:
- Terre des Femmes Deutschland (2004)
- UN-Komitee CEDAW (2009)
- Terre des Femmes Schweiz (2009)
- Stiftung Kinderschutz Schweiz (2009)
- Amnesty International Schweiz (2010)
- Amnesty International Deutschland (2010)
- Deutscher Ethikrat (2010)
- Nürnberger Menschenrechtszentrum (2011)
- Deutsches Institut für Menschenrechte (2011)
- Deutscher Ethikrat (2011)
- Nationale Ethikkommission Schweiz (2012)
2013: Das Jahr, in dem die Forderung nach einem Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) endlich in der Politik ankam
Nachdem Ende 2012 die schweizerische Nationale Ethikkommission (NEK) zum ersten Mal die Forderungen der Betroffenen ernst nahm und in ihrer Stellungnahme gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM empfahl, zogen 2013 der UN-Sonderberichterstatter über Folter ebenso wie der Europarat (COE) nach.
Im Deutschen Bundestag und dessen Familienausschuss wurde anhand von 3 Anträgen von SPD, Grünen und Linke zum ersten Mal konkret über ein Verbot von IGM diskutiert, wobei zumindest auf dem Papier und in Wahlerklärungen alle Parteien ein solches befürworteten – obwohl letztlich die regierende CDU/CSU den TäterInnen eine offizielle Lizenz zm Weiterverstümmeln erteilte ... Fortsetzung folgt ...